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Tabakanbau
in Leerstetten als Sonderkultur.

Zusammengetragen und erzählt von Hans Volkert

"Etwa 1590 kam erstmals Tabak von Holland und Frankreich nach Deutschland. 1601 hatte eine persische Gesandtschaft in Nürnberg nach Tabak gefragt und ihn reichlich dort vorgefunden. Einer alten Aufzeichnung zufolge soll bereits um 1601 um Nürnberg Tabak angebaut worden sein. Die katastrophalen Ereignisse des 30-jährigen Krieges gaben dem Tabakgenuss einen ungeheuren Auftrieb. Gleichzeitig traten auch die Tabakgegner auf den Plan. Die meisten weltlichen Regierungen gingen gegen das Rauchen vor. Andererseits wurde der Tabak bald als Steuerobjekt entdeckt. Zunächst wurde vorwiegend neben dem Tabakschnupfen das Pfeifenrauchen gepflegt. Erst Ende des I8. Jahrhunderts begann das Zigarrenrauchen Mode zu werden. Seit den 80er Jahren des vorletzten Jahrhunderts wandte sich die Gunst der Raucher immer mehr der Zigarette zu. Jeder Krieg erwies sich als der wirksamste Verbreiter des Tabakgenusses.


Der Rat der Freien Reichsstadt Nürnberg erkannte sehr frühzeitig im Tabak eine willkommene Einnahmequelle. Nürnberg war einer der wenigen Orte, die kein Tabakverbot erließen. 

 

Als sich der Tabakanbau immer mehr ausbreitete, erwog 1651 der Rat der Freien Reichsstadt, den Anbau des Tabaks zugunsten des Getreideanbaus einzuschränken.


In Schwabach wurde bereits 1651 ein Tabakverkäufer namentlich erwähnt. In Kornburg nahm der Tabakanbau zwischen 1665 und 1680 so überhand, dass er den Getreide- und den Futteranbau verdrängte.


In Schwander Kirchenbüchern wurde 1687 erstmals ein „Tabakpresser“ erwähnt (Georg. Kühnlein).
Überhaupt erwiesen sich die Sandböden um Nürnberg, Schwabach, Roth und Erlangen als sehr förderlich für den Tabakanbau, während auf besseren Böden, wie in der Gegend um Thalmässing, Gunzenhausen und Triesdorf der Tabak nicht die begehrte Färbung erhielt, sondern schwarz-grün blieb.


Um die vorletzte Jahrhundertwende bestand ein Tabakbauverein in Schwabach und Umgebung. Sein letzter Vertreter war Bürgermeister Hörl von Schwand.
Vor dem ersten Weltkrieg wurde in unserer Gegend Virginier-Tabak angebaut. Für den Zentner zahlte man damals 22 Mark. Qualitätsmäßig hielt dieser Tabak mit der Frucht aus anderen deutschen Landen jedem Vergleich stand.
Der erwähnte Tabakbauverein in Schwabach bemühte sich, durch eine richtige Behandlung des Ackerbodens einen guten Tabak zu produzieren, Dazu gehörte auch die Aufforderung, dass der Tabak während des Trocknens im Freien möglichst oft umgehängt und „gestürzt“ wird, damit er nicht zu faulen beginnt.
Mit der Einrichtung der Landwirtschaftsstelle in Roth bei Nürnberg im Jahr 1922 fing ein neuer Abschnitt des Tabakanbaus an. Der damalige Landwirtschaftsassessor Schoberth erkannte die wirtschaftliche Bedeutung des Tabakanbaus für die leichten Böden Mittelfrankens. Es war ihm klar, dass ohne eine Organisation keine durchgreifende Förderung des Tabakanbaus möglich sei. Es begann eine umfassende Aufklärung der Tabakbauern zum Zwecke des Zusammenschlusses in Ortsvereinen.

Am 4. 4. 1936 wurde in Roth ein Kreisverband im Rahmen des Landesverbandes "Fränkische Tabakfachschaft e. V." (später: Tabakbauverein) gegründet, zu dessen 1. Vorsitzenden Hans Schneider aus Leerstetten gewählt wurde. Geschäftsführer wurde Landwirtschaftsrat Schoberth. Dieser Verein hatte ein zähes Leben und überstand die Wirren des Krieges und der Nachkriegszeit. Aus den aufgrund der Lizenzierungsvorschriften notwendigen Neuwahlen ging als 1. Vorsitzender des Tabakbauvereins Michael Leinberger aus Oberreichenbach hervor. Einer der Beiräte wurde Stefan Freitag aus Leerstetten.

Beim Tabakanbau wurde schon immer auf eine gute Qualität Wert gelegt. Qualitätsabstufungen fanden natürlich in den Preisspannen zwischen 60 und 440 Mark je Ztr. ihren Niederschlag.
Im Schwabacher Anbaugebiet wurde der gelbblühende Rundblatttabak, auch "Virginier" genannt, als Schneidegut angebaut. Aber jeder Pflanzer hatte einen anderen Typ und diese unterschieden sich sehr merklich - bezüglich Blattzahl, Blattform, Blattgröße, Blattoberfläche, Stärke der Rippen und nicht zuletzt in der Trocknung.
Im Jahr 1925 wurden 40 verschiedene Sortentypen festgestellt. Durch Selektion wurden 2 Typen auserlesen. Die eine davon war der Typ "F. D.". Merkmal dieser Sorte war eine mittelgroße Pflanze mit 10 bis 12 großen glatten Blättern. Während der ganzen Vegetationszeit war die Farbe hellgrün und bei der Trocknung wurden hellgelbe Farben erzielt.
Ende der 30er Jahre kam die künstliche Trocknung. 1938 wurden in Walpersdorf die ersten Trockenschuppen gebaut.
Versuche, andere Tabaksorten in unserem Gebiet anzubauen, z. B. das rotblühende Spitzblatt oder "Deutscher Tabak", scheiterten oftmals am Widerstand der Pflanzer.
Mit der künstlichen Trocknung begann auch der Anbau der Sorte "Virgin Gold A“. Diese hielt, was ihr Name versprach. Auf dem Feld wuchs die Pflanze hellgelb auf und bei der Trocknung wurden gelbe Farben erzielt. Auch ertragsmäßig befriedigte diese Sorte. Bereits im Jahr 1942 betrug die Anbaufläche 340 ha.
Der Tabakbauverein Breitenlohe stellte als erster auf diese Sorte und auf die ausschließliche Röhrentrocknung um. Hingegen wurde der Anteil des Rundblattes immer geringer und im Jahr 1951 wurden davon nur noch 23 Ztr. verkauft. Leider wurde auch die Sorte „Virgin Gold A“ stark vom Virus befallen, wogegen die Tabakfachschule Roth seit 1953 auf eigenem Versuchsfeld ankämpfte. Seit dem Jahr 1958 wurde im Schwabacher Anbaugebiet für die Lufttrocknung die Sorte "Burley" angebaut.
Die Pflanzenanzucht erfolgte zunächst unter primitiven Verhältnissen. Eine Verbesserung der Anzucht war die Verwendung von Ölstoffpapier zum Abdecken der Tröge. Im Jahr 1933 begann die Herstellung massiver Anzuchtbeete mit Glasfenster-Abdeckung. In Leerstetten errichtete der Verein eine Gemeinschaftsanlage mit 150 Fenstern.
 
 
Ebenso große Bedeutung wie eine ordentliche Beetanlage hatte die Aufzuchtserde. Keimfreihaltung und Auflockerung des Bodens gehörten zur vordringlichen Voraussetzung eines guten Pflanzengutes. Es wurden Torf und ab 1954  "Fruhstorfer Erde“ beigemischt oder verwendet. Wegen seiner Winzigkeit wurde der Tabak meistens mit einer Gießkanne gesät.
 
 
 

Im Schwabacher Anbaugebiet war es üblich die Pflanzen aus dem Anzuchtbeet heraus zu verpflanzen, ohne vorher pikiert zu werden. Während vorher durch unbekümmertes Düngen des Tabakfeldes die Qualität des Tabaks sehr gelitten hatte, ging mit der Gründung der örtlichen Tabakbauvereine ein sehr bewusstes Düngen einher, so dass dadurch einwandfreier Brand, Geruch und Farbe erzielt wurden.
Als Kunstdünger kam besonders schwefelsaures Kali zur Anwendung. Auch mit Stallmist musste bei der Düngung sorgsam umgegangen werden.
Zwischen 1924 und 1936 wurden sogenannte "Tabakfelderschauen" mit Bonitierungen durchgeführt, Jedoch mussten mit dem Beginn der Röhrentrocknung und mit dem Anbau neuer Sorten die Anbauernte-Vorschriften neu gefasst werden.
Neben der Düngung wurde dem Pflanzenschutz eine erhöhte Aufmerksamkeit gewidmet. Die Pflanzen mussten so behandelt werden, dass sie im Anzuchtbeet gesund blieben und gesund auf das Feld kamen, denn nur dann war eine rasche Jugendentwicklung gewährleistet, Gespritzt wurde gegen pilzliche Befälle und gegen tierische Schädlinge. Der Spritzbrühe wurde das bisher noch nicht so bekannte E 605 beigemischt. Die Spritzungen waren in regelmäßigen Abständen (alle 8 Tage) durchzuführen, sowohl im Anzuchtsbeet als auch auf den Feldern.
Zunächst wurde der Tabak an der Luft getrocknet, indem die Vergilbung und die Blatttrocknung an den Wänden von Häusern, Scheunen oder an Gartenzäunen erfolgten. Die Bandeliere wurden hier senkrecht an einer Schlaufe aufgehängt. Die Blätter lagen sehr dicht aufeinander und mussten, um ein Faulen zu verhindern, durch Schütteln und gleichzeitiges "Stürzen" der Bandeliere aufgelockert werden, Nach der Blatttrocknung wurde der Tabak unter Dach gebracht und dort bis zur völligen „Dachreife“ aufgehängt.
Da die Farbausbildung jedoch umso besser vor sich ging, je mehr Licht auf den Tabak einwirken konnte, wurden in den Jahren 1937 und 1938 breite Lichtbänder aus Panzerglas auf den Dächern angebracht.
Da der Preisunterschied zwischen Rund- und Spitzblatt immer größer wurde, musste nach anderen Wegen und Mitteln gesucht werden. Doch die Umstellung von Rund- auf Spitzblatt scheiterte - wie schon früher erwähnt - an der starren Haltung der Pflanzer.

 
Da stellte die Fa. Brinkmann dann nach amerikanischem Muster eine firmeneigene künstliche Trocknungsanlage her. Im Jahre 1938 wurde vom Landesverband Fränkischer Tabakpflanzer die erste Röhrentrocknungsanlage in Walpersdorf errichtet. Diese Halle wurde mit dem amerikanischen „Virginy MB“ bestückt. Im Jahre 1939 erzeugte man in Walpersdorf aus 7,2 Ztr. Grüntabak 1 Ztr. Trockengut, was einer Ausbeute von 13,74 % entsprach.
 

Noch im selben Jahr wurde in Leerstetten. mit dem Bau von 2 Doppelkammern begonnen. Durch die mit dem Kriegsausbruch verbundenen Transportschwierigkeiten konnten im Herbst 1939 diese Anlagen nicht mehr in Betrieb genommen werden. Aber im darauffolgenden Jahr konnten die Kammern 24 Mal beschickt werden. Dabei fiel an Trockentabak an: Rundblatt- Tabak = 5 914 kg und Virgin-Tabak. = 1 305 kg.
Bereits 1940 wurden die Stäbe zum Aufhängen der Bandeliere in den Kammern verwendet. An den Stäben befanden sich 3 Nägel, über welche die Bandaliere gehängt wurden.

Trotz der Kriegsverhältnisse konnten im Jahr 1941 in unserer Gegend noch weitere 44 Trockenkammern gebaut werden. Einschließlich der Anlagen in Walpersdorf und Leerstetten standen dann 49 Kammern zur Verfügung. Der Bau der Tabakschuppen wurde vom Staat mit 50 % bezuschusst. Damals konnten für 1 Ztr. Trockengut 105,32 Mark erzielt werden. 1941 wurde in Leerstetten mit 19 552 kg unter den zehn umliegenden Gemeinden der meiste Tabak erzeugt. An zweiter Stelle folgte Breitenlohe mit 10 569 kg.

Auf Drängen der Fa. Brinkmann sollten möglichst viele Tabakanfädelmaschinen eingesetzt werden. Die Industrie suchte aber nach Entfädelungsmaschinen, da das Ausziehen der Tabake die meiste Arbeit und die meisten Kosten verursachte. Dieser Hinweis war Veranlassung, dass sich Herr Schoberth mit der Konstruktion einer fadenlosen Aufhängung befasste. Das Jahr 1942 brachte die fadenlose Schoberthsche Stabaufhängung. Die rasche Umstellung von Rundblatt-Tabak auf Virginy wäre ohne diese Stabaufhängung nicht gelungen. Auch hätte die überaus gute Ernte ohne diese Neuerung nicht bewältigt werden können.

Hingegen machte die Rundblatt-Trocknung zum Teil erhebliche Schwierigkeiten. Es gab Pflanzen, deren Tabak nicht trocknete, sondern faulte. Auch dieser Umstand begünstigte die Umstellung auf die Sorte „Virgin Gold A“.
1944 wurde der Tabakpreis um 50 % erhöht. Der Grundpreis betrug nunmehr 138 Mark + Aufschlag für Bonitierung.
1949 wurde mit der Fa. Brinkmann ein Anbau- und Übernahmevertrag derart abgeschlossen, dass ein Preis von 170 DM pro Ztr. garantiert würde unter der üblichen Bonitierung. Ferner wurde festgesetzt, dass der Tabak auch zur Einschreibung komme, so dass der Pflanzer nicht weniger als 170 Mark, wohl aber, wenn die Marktlage gut war, einen höheren Preis erzielen konnte. Im Jahr 1949 wurden 3 402,45 Ztr. verwogen, was einen Durchschnittsertrag von 25 kg/a gleichkam. Die Preise lagen zwischen 200 und 282,45 DM pro Ztr. Je Ztr. wurde dann noch eine Nachzahlung von 104 DM gewährt. Dies war in der DM-armen Zeit für die Pflanzer eine sehr angenehme Überraschung, an die man sich noch heute gerne erinnert.
Die Fa. Brinkmann hatte über den bereits bezahlten Betrag hinaus einen Förderungszuschlag in der Gesamthöhe von 68 409 DM überwiesen. Damit sollten die Heizungs- und Dämpfungsanlagen auf den neuesten technischen Stand gebracht werden. Da dieser Betrag zu gering war, um die gesamten Baukörper zu bezuschussen, wurden nur die Heizungsaggregate bezuschusst.
Im Jahr 1950 war die Ausbreitung der Röhrentrocknung geradezu stürmisch verlaufen. Im gleichen Umfang, wie die Anlagen zunahmen, musste mit einer Zunahme der röhrengetrockneten Tabakmenge gerechnet werden, also mit etwa 10 000 Ztr.. Von nun an sollte allen Käufern die Möglichkeit gegeben werden, sich unter gleichen Bedingungen an den Einkauf röhrengetrockneter Tabake zu beteiligen.
Im gleichen Jahr wurde in der Gaststätte "Volksgarten" am Bahnhof Schwabach die Tabakversteigerung nach amerikanischem Muster durchgeführt. Es war erstaunlich, wie unter den primitiven Verhältnissen auf Anhieb 11 832 Ztr. bewältigt werden konnten. Man war sich in dieser Versteigerung klar darüber, dass diese Art des Verkaufs für die künstlich getrockneten Tabake beibehalten und weiter ausgebaut werden sollte. Hierzu war jedoch eine eigene Versteigerungshalle erforderlich. Im Jahre 1951 wurde die Halle I in Schwabach errichtet mit einer überbauten Fläche von 1 105 qm, Schon 1952 musste eine zweite Halle angebaut werden. Da die versteigerten Tabake mit großen LKWs abgeholt wurden, war der Bau einer tragfähigen Zementstraße zu den Hallen notwendig.
Im Jahre 1956 wurden erstmals 80 Trocknungsanlagen auf Ölfeuerung umgestellt. Die Vorteile dieser neuartigen Feuerungsart bestanden vor allem darin, dass durch die Temperaturregelung durchwegs bessere Farben erzielt werden konnten. Die Bedienung war ebenfalls einfacher. Man brauchte nur alle 5 bis 6 Stunden mehr nachzuschauen. Auch die Brandgefahr war wesentlich geringer als bei der Kohlenfeuerung.

Bis nach dem 1. Weltkrieg erfolgte der Kauf der Tabake von Aufkäufern für verschiedene Firmen in Kommission von Ort zu Ort, bzw. von Haus zu Haus. Eine einfachere Methode war es, die Tabakbauern in ein Wirtshaus einzuladen und dann in gehobener Stimmung die Kaufabschlüsse zu tätigen. Die Preise waren zu jener Zeit niedrig. Trotzdem wurde Tabak angebaut, weil er für die Betriebe, die nur Roggen und Kartoffeln anbauten, eine willkommene Vorfrucht darstellte.

Die Käufer schickten zur gegebener Zeit ihre „Binder" zu den Anbauern, welche den Tabak abhängten und in Bündeln zu je 40 bis 60 Pfund zusammenbündelten.
Der Tabak wurde seinerzeit meistens in gemieteten Tabakböden aufgehängt. Dort blieb er bis zur endgültigen Verwiegung hängen. Das Geld wurde in der Regel gleich nach dem Verwiegen in bar ausbezahlt.
Zur Anerkennung von Leistungen und Verdiensten um den Fränkischen Tabakbau wurde 1956 das "Tabakblatt in Silber" geschaffen.
Diese Auszeichnung wurde u.a. an Herrn Heinrich Dengler, Geschäftsführer des hiesigen Vereins und an Herrn Schneider als Vereins- und ehemaliger Verbandsvorsitzender sowie als Bonitierer verliehen.



Erstellt unter Zuhilfenahme der Broschüre: Der Fränkische Tabakbau von Oberlandwirtschaftsrat Schobert, Roth"

zum Artikel: Tabak allgemein und Anbau in unserer Region   lesen

Schwanstetten im Januar 2014
Alfred J. Köhl