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Das Radfahren 

zusammengetragen und aufgeschrieben von Hans Volkert
 
Das Radfahren ist in den zurückliegenden, gesundheitsbewussten Jahren sehr populär geworden. Bei sonnigem, mildem Wetter sind die Radler überall anzutreffen.
Für sie wurden und werden noch immer extra Radwege entlang den Straßen und durch reizvolle Gegenden angelegt.
 
Auch die manchmal liebevoll bezeichneten "Drahtesel" haben sich seit ihrer Erfindung in Ausstattung und Aussehen gewandelt. Längst sind das Urfahrzeug, die Draisine und das Hochrad aus Holz aus dem Angebot verschwunden. Vom Tourenrad, vom Kinderfahrrad zum Mountainbike reicht die Angebotspalette. Je nach Ausstattung gelten heute Preise zwischen 300 und 10.000 Euro je Rad als angemessen.

 
Auch die Bekleidungsindustrie war nicht untätig geblieben. Sie preist für jedes Fahrrad und für jede Witterung die passende Kleidung an.

 
Um die Jahrhundertwende sind die ersten Stahlrahmenräder auf den Markt gekommen.
Sie waren damals relativ teuer, so dass nur gutsituierte Leute sich ein solches Fortbewegungsmittel leisten konnten.

 
 

Dass man die neuentdeckte Fortbewegungsmöglichkeit auch in gesetzliche Bahnen lenken musste, war vor allem in Deutschland klar, wo eine besondere Vorliebe für gesetzliche Regelungen schon bestand. So wurde eine erste oberpolizeiliche Vorschrift vom 1. 1. 1898 des Königlichen Staatsministeriums des Innern zum 1.3.1898 erlassen.
 
Die bereits unter dem 25.5.1896 vom Bezirksamt Schwabach verfügte Distriktpolizeiliche Vorschrift wurde sogleich von dieser für Bayern geltenden Vorschrift außer Kraft gesetzt.


 
Nach § 12 der erwähnten Verordnung musste jeder Radfahrer eine von der Ortspolizeibehörde seines Wohnorts ausgestellte, auf seinen Namen lautende "Fahrkarte" bei sich führen und auf "Erfordern" den Aufsichtspersonen vorzeigen. Personen, welche nicht im Besitz einer solchen Fahrkarte waren, durften auf öffentlichen Wegen, Straßen und Plätzen nicht Rad fahren. Jugendlichen, welche das 14. Lebensjahr noch nicht vollendet hatten, durften nur ausnahmsweise dann die Karte erteilt werden, wenn ausreichende Sicherheit dafür bestand, dass von ihnen eine Gefährdung des öffentlichen Verkehrs nicht zu besorgen war.
Personen unter 18 Jahren durfte die Fahrkarte nur mit Zustimmung des gesetzlichen Vertreters erteilt werden. Für Radfahrer, die sich nur auf der Durchfahrt durch Bayern be­fanden, genügte eine von ihrer Heimatbehörde ordnungsgemäß ausgestellte Fahrkarte oder eine sonstige Legitimation.
 
Die erste in der damaligen Gemeinde Leerstetten ausgestellte Fahrkarte war für Herrn Bonifatius Pöllet aus Harm gegen Bezahlung einer Gebühr von 1 Mark bestimmt. Im Jahr 1903 wurden für die Bewohner Karg, Leonhard Röck und Johann Adam Stiegler Radfahr­karten ausgegeben.
 
Der Stadtmagistrat von Nürnberg beklagte sich in seinem Schreiben vom 5. 12. 1903 an die umliegenden Bezirksämter, dass von den um Nürnberg liegenden Gemeinden Radfahrkarten an Personen ausgestellt worden seien, denen die Radfahrkarte in Nürnberg wegen Verfehlungen gegen die Radfahrvorschriften entzogen wurde. Nach Meinung des Magistrats hätten sich verschiedene Personen durch kurzfristige Ummeldung in einen umliegenden Ort einen Ersatz für die eingezogene Fahrkarte verschafft. Die in dieser Hinsicht bekannt gewordenen Fälle sollten unverzüglich dem jeweiligen Bezirksamt gemeldet werden.
 
Auch für die Ortspolizeibehörden galten besondere Vorschriften, wenn sie gegen die in Fahrt befindlichen Radfahrer einschreiten wollten. So erging am 15.5.1903 die vom Bezirksamt erlassene Vorschrift folgenden Inhalts:
 
Das Anhalten in der Fahrt befindlichen Radfahrer durch Polizeiorgane ist bekanntlich leicht mit Gefahr für den Radfahrer und die Person des Anhaltenden verbunden. Es sind daher zufolge Regierungsentschließung vom 12. ds. Mts. die gemeindlichen Polizeiorgane anzuweisen, in dem zwangsweisen Anhalten von Radfahrern geeignet Maß zu halten, jeden­falls nur bei offenbar gegebenen strafbaren Übertretungen Gebrauch zu machen und dann mit möglichster Vorsicht zu verfahren.
 
Im Interesse der öffentlichen Sicherheit gegenüber dem immer mehr sich einbürgernden Verkehr mit Kraftfahrzeugen hatte das Deutsche Reich das Gesetz vom 3.5.1905 ein­schließlich einer Verordnung des Bundesrats vom 3.2.1910 erlassen.
 
Im Text dieses Gesetzes hieß es:
 

 

"Die Sicherheit des Verkehrs auf öffentlichen Wegen und Plätzen hängt nicht allein davon ab, dass die Kraftwagenführer ihre Vorschriften genau befolgen, sondern auch seitens der übrigen Fuhrwerkslenker und der Radfahrer die straßenpolizeilichen Bestimmungen gewissenhaft einhalten. So muss jedes Fahrrad während der Dunkelheit oder bei starkem Nebel mit einer hellbrennenden Laterne mit farblosen Gläsern, welche den Lichtschein nach vorne auf die Fahrbahn wirft, versehen sein“.
 
„Der Radfahrer hat bei der Fahrt die rechte Fahrbahn einzuhalten und bei entgegenkommenden Fuhrwerken, Kraftfahrzeugen, Reitern, Radfahrern, Fußgängern, Viehtransporten oder dergl. rechtzeitig und genügend nach rechts auszuweichen oder, falls dies die Umstände oder die Örtlichkeit nicht gestatten, solange abzusteigen, bis die Bahn frei ist."
 
Deutschland verfügte auf seinem Territorium nicht über die Tropenpflanzen, aus deren Flüssigkeit der Gummi hergestellt werden konnte. Die im 1. Weltkrieg über Deutschland und seinen Verbündeten verhängte Wirtschaftsblockade brachte das Kaiserreich hinsichtlich der Reifen- und Schlauchherstellung in eine arge Verlegenheit. Mit Ausnahme von Militärpersonen durften laut Verordnung vom 15.11.1916 Fahrradreifen und -schläuche nur gegen Bezugsscheine verkauft werden. Derartige Bezugsscheine durften nur an solche Personen ausgestellt werden, für welche das Fahrrad

 

  1.  als Beförderungsmittel zur Arbeitsstätte,
  2.  zur Ausübung ihres im allgemeinen Interesse besonders notwendigen Berufs hatten,
  3.  zur Beförderung von Waren zur Aufrechterhaltung eines Betriebs und
  4.  infolge eines körperlichen Zustands unentbehrlich war.

 
Insbesondere waren Bezugsscheine auszustellen an:

  1.  Schülern, deren einfacher Schulweg mehr als 3 km betrug und denen die Gelegenheit fehlte, durch andere Verkehrsmittel in zweckmäßiger Weise die Schule zu erreichen,
  2.  Personen, die von ihrer Wohnung bis zur Arbeitsstelle einen Weg von einfach 3 km zurücklegen müssten und
  3.  Ärzten, Tierärzten, Geistlichen, Heilgehilfen, Krankenschwestern, Hebammen, welche das Rad zur Ausübung ihres Berufs benötigten und schließlich
  4.  Personen, die infolge ihres körperlichen Zustands auf die Benutzung eines Fahrrads angewiesen waren.

 
An Beamten und anderen im Dienst von Reich, Staat und Gemeindebehörden stehenden Personen sowie an Militärpersonen durfte gummienthaltende Fahrradbereifung gegen Vorlage einer Bescheinigung abgegeben werden, sofern das Fahrrad zur Ausübung ihres Dienstes notwendig war.
 
Eine jede Person durfte seinerzeit zunächst nur einen Bezugsschein für höchstens eine Decke mit Schlauch je einzelnem Rad des Fahrrads abgegeben werden. Weitere Bezugsscheine wurden nur in angemessenen Zeitabständen erteilt.
 
Je länger der Krieg dauerte, desto prekärer wurde die Verknappung vieler Rohstoffe. Das Generalkommando des 3. Bayer. Armeekorps verbot deshalb mit Anordnung v. 1.6.1916 jede Benutzung von Fahrrädern zu Vergnügungsfahrten und zu Sportzwecken.
 
„Fahrradrennen auf Rennbahnen durften stattfinden, wenn sie mit vorrätigen sogenannten Rennreifen (geschlossenen Gummireifen ohne Luftschlauch) ausgeführt wurden“.
 
Übertretungen der Anordnung wurden mit Haftstrafe oder mit einer Geldstrafe bis zu 1 500 Mark geahndet.
 
 

Auch die amtliche Mitteilung vom 20.5.1918 befasste sich mit den Sparmaßnahmen von Gummirohstoffen, wenn es darin hieß:


 
"Seit Eintritt der besseren Jahreszeit nimmt der Fahrradverkehr von Zivil- und Militär­personen in einem Umfang zu, der bei der immer empfindlicher werdenden Knappheit an Gummireifen nicht mehr zu rechtfertigen ist. Vielfach sieht man Halbwüchsige auf Fahrrädern sich tummeln oder Erwachsene zu Rad Ausflüge machen. Durch diese unwirtschaftliche und unzulässige Benützung der gummibereiften Fahrräder werden die noch vorhandenen Bestände an Fahrradbereifungen vorzeitig verbraucht und bei jenen Bevölkerungsklassen, die beruflich auf diese Beförderungsmittel angewiesen sind, berechtigte Missstimmung erzeugt."
 
 
 

 

Nach Beendigung des 1. Weltkriegs konnte allmählich die Einschränkung des Fahrradverkehrs wieder gelockert und später ganz aufgehoben werden.
 

Sehr bald häuften sich seinerzeit wieder die Fälle, in denen Radfahrer wegen Nichtbeachtung der verkehrsrechtlichen Vorschriften angezeigt werden mussten. Die Gemeindebehörden hatten darauf hinzuweisen, dass jedes Fahrrad mit einer funktionierenden Beleuchtung ausge­stattet sein musste und jeder Fahrer eine gültige Fahrradkarte besitzen müsse. Insbesondere war auch darauf hinzuweisen, dass bei Bergabfahrten die Hände nicht vom Lenker und die Füße nicht von den Pedalen genommen werden dürfen (ein „Freilauf“ war nicht in allen Fahrrädern vorhanden, so musste man immer „mittreten“.).


 
 

 

Eine ähnliche Einschränkung des Reifen- und Schlauchmaterials für Fahrräder bestand auch während des 2. Weltkriegs und noch einige Jahre danach.


Die beiden Radfahr-Karten und die Oberpolizeiliche Vorschrift wurde uns von Herrn Alfred Leykauf, Boxlohe 4 in Schwanstetten überlassen.

Die Radfahr-Karte von 1911 war ausgestellt für:
Balthasar Zeh, Schreinerlehrling, wohnhaft zu Kornburg
ausgestellt in Schwand am 8 ten Oktober 1911 von Bürgermeister Hörl,

die Radfahrkarte Nr. 78 für
Balthasar Zeh, Schreiner, wohnhaft zu Schwand
ausgestellt in Schwand am 2 ten September 1922 auch von Bürgermeister Hörl.

Die Fahrradklingel bekamen wir dereinst von Georg Leykauf aus der Flurstraße, die, wie man uns berichtete, dem Balthasar Zeh gehörte.


So eine Fahrradklingel gehörte früher zu einem verkehrssicheren Fahrrad dazu, nicht so wie heute, wo sie entweder aus Design- oder Gewichtsgründen einfach weggelassen wird.
Wahrscheinlich war es ein Werbegeschenk des Fahrradladens von Hans Schmidt, der sein Geschäft in der Rother Straße 1 vor dem Krieg betrieb. Jeder, der ein Fahrrad in seinem Laden kaufte, bekam eine Fahrradklingel mit dem Namen des Händlers, so wie heute die Nummernschildverstärkungen der Autos.


Hier nun die Oberpolizeiliche Vorschriften zum Radfahrer-Verkehr von 1907:
















Auszug aus Mittelbach's Neue Rad-, Auto- und Verkehrskarte von ca. 1905, die uns Horst Kreutzer zur Verfügung stellte.




Interessant ist in der Karte auch die Legende. Links neben "Mittelbach's verlg" steht in rot: "Für Automobile verbotene Straßen", und der rechte Text lautet: "Unterstrichene Orte erheben Pflasterzoll für Automobile". In der Karte ist Schwand unterstrichen, also gab es hier einen Pflasterzoll.
Auch der Zustand der Strassen war der Karte zu entnehmen, je nach Schraffur - Kunststrassen mit - guter - mittelmäßiger - schlechter - Decke.



Für das Internet zusammengestellt und illustriert:

Schwanstetten im Januar 2016

Alfred J. Köhl

Nachdem unsere Seite im Schwabacher Tagblatt veröffentlicht wurde, bekamen wir Rückmeldungen zu der Fahrradfahrerin:

Es handelt sich dabei um die 1921 geborene Margarete Wolkersdorfer, später verheiratete Kickenbick, die in ihrer BDM-Uniform ca. 1940 am Milchsteg über den Hembach posiert.

Bei dem Damenfahrrad sieht man sehr schön den damaligen Schutz - Gummilitzen vom Rahmen an das Schutzblech - der verhindern sollte, dass sich der Rock in die Speichen des Hinterrades verfing. Hosen für Frauen waren in dieser Zeit "verpönt" - unweiblich!!

Weiterhin bekamen wir ein Bild vom Fahrradladen in Schwand. Interessant wäre hier zu erfahren, wer denn die abgebildeten Personen sind. Autos waren da anscheinend schon wichtiger als Fahrräder.


Über dem Eingang ist der heute noch erhaltene Wappenstein zu erkennen.

Schwanstetten im Februar 2016

Als Anlage die Zeitungsseite vom Samstag, den 20.02.2016

 

 

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