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Des Baders Verfehlungen
 


 

Georg Paul Hönn, ein Beamter am Coburger Hof, schreibt im Jahre 1743 - Johann ist gerade Vater seines vierten Kindes geworden - sein “Betrugs-Lexicon”, das noch heute berühmt ist und als eines der aufschlußreichen Zeitzeugnisse zum Alltagsverständnis des 18. Jahrhunderts gilt.
Was Hönn über die “Betrügereyen in allen Ständen” notiert - und in seiner Sammlung fehlt in der Tat so gut wie keiner der damals gängigen Berufe - ist überaus ergiebig und praxisbezogen:


Hier der Auszug über den Bader:
 
 
Bader betriegen 

1) Wenn sie von geringen Sachen Pflaster und Artzneyen machen, und sich solche dergestalt theuer bezahlen lassen, daß da ihnen etwa die Ingredientien vor etliche Groschen zu stehen kommen / sie davor so viel Thaler begehren. 
 
2) Wenn sie solche Patienten annehmen und curiren wollen, von deren Schäden und Beschwerung sie keine Erfahrung haben, ja offt nicht einmahl etwas davon gehöret. 
 
3) Wenn sie bey Heilung äusserlicher Schäden und Ubeln sich unterstehen / innerliche Mittel und Artzneyen ohne alle Untersuchung / Erkänntniß und Verstand von den Artzneyen so wohl, als den innerlichen Zufällen zu geben, ja wohl gar à parte innerliche schwere Kranckheiten verwegener Weise zu curiren. 
 
4) Wenn sie die Patienten mit ihren Schäden öffters vorsetzlicher weise aufhalten / damit sie an ihnen desto länger zu curiren und folglich mehr Geld zu verdienen haben. 
 
5) Wenn sie solche Schäden, die allem Augenschein nach unheilbar sind / zu heilen sich unterstehen / und damit / unter Vertröstung guter Besserung, so lange umgehen, biß sie endlich ihre Pfeiffe gnug geschnitten haben, zuletzt aber dennoch / daß sie nun nichts weiter daran thun könten, und man einen andern darüber müste gehen lassen / vorgeben. 
 
6) Wenn sie in Heilung eines Schadens entweder aus unzulänglicher Erfahrung ihrer Kunst / oder aber aus Vorsatz / um desto mehr Geld zu verdienen / Ubel ärger machen. 
 
7) Wenn sie unter dem Vorwand ermangelenden Platzes die Badstuben so einrichten, daß Manns- und Weibs-Personen zusammen sehen / oder wohl gar zu einander kommen können, damit sie von lüsternen Bade-Gästen desto mehrern Zugang und Profit haben mögen. 
 
8) Wenn sie nicht dulden noch vertragen können / daß ein anderer verständiger Wund-Artzt / oder auch nach Beschaffenheit der Sachen / ein Medicus mit zu Rath gezogen werde / sondern damit niemand ihre Stücke oder Tücke hinterkommen möge, lieber alles auf ihre eigene Hörner nehmen wollen, es mag ein Ende nehmen wie es wolle. 
 
9) Wenn sie durch allerhand schmeichlerische, verläumderische und Quacksalberische Art und Weise auf dem Lande oder in den Wirths-Häusern und überall sich anerbieten, vorgebend, in was Hochachtung sie bey diesem und jenem berühmten Medico wären / von ihme öffters recommendirt würden / und daher auch von ihme sonderliche gute berühmte Artzneyen und Specifica wider diese und jene, wo nicht alle Kranckheiten zu erfahren die beste Gelegenheit gehabt hätten / nur daß sie die Leuthe dadurch an sich locken mögen. 
 
10) Wenn sie sich des Zahnausreissens unterfangen / und doch wissen / daß sie in dieser Kunst nicht wohl geübet sind, nur damit sie den Groschen verdienen mögen. 
 
11) Wenn sie mit ihrer Kunst hinter dem Berge halten, und ihren Lehr-Jungen die Kunst- und Handgriffe nicht treulich zeigen, sondern es genug seyn lassen, daß sie nach ausgestandenen Jahren etwan einen Bart putzen / ein Messer abziehen / eine Peruque accommodiren, und aufs höchste etwa ein Pflaster streichen können. 
 
12) Wenn sie in ihren Badstuben das Holtz sparen, und gleichwohl von den Bad-Gästen sich das Badgehen wohl bezahlen lassen. 
 
13) Wenn sie beym Schröpffen an statt der Flitte oder Schröpf-Eisens einen so genannten Schnöpffer brauchen, um desto eher von der Sache zu kommen, dadurch aber das Geblüt mehr erschrecken und zurück treiben / als herzu locken und befördern. (S. 29ff)

Schwanstetten im März 2017

Alfred J. Köhl