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"Wirtshäuser"

Wissenswertes über die "Gasthäuser" in der früheren Gemeinde Leerstetten zwischen 1800 und 1950
Gesammelt von Hans Volkert

 

Fröhliche Runde in Harm Die meisten Bürger sind sich darin einig, dass Wirtshäuser, wie sie in der Umgangssprache heißen, im Leben unverzichtbar sind. Sie dienen der Kommunikation und verhindern deshalb eine Öde in unserer Besiedelung.

Sicher gab es auch in Leerstetten schon lange vor 1800 Gasthäuser. Aber die gemeindlichen Aufzeichnungen beginnen erst ab 1795.

Gleich aus der Haushaltsrechnung für 1795/96 ist folgende Bewirtung erwähnt: "Beim Abhören der Rechnung wurden bei den Wirten Seybold und Schwarz (?) Speisen und Getränke für 7,90 fl. verzehret".

Der Dichter Ludwig Uhland bedachte einst liebevoll - wenn auch nicht direkt -die Wirte mit Lob in seinem Gedicht: "Einkehr". Dort heißt es in der l. Strophe:

"Bei einem Wirte wundermild, da war ich jüngst zu Gaste, ein goldner Apfel war sein Schild - an einem langen Aste".

Zweifelsfrei haben zu jeder Zeit die Gasthäuser in erster Linie für das leibliche Wohl ihrer Besucher zu sorgen. Aber ihr Angebot an Dienstleistungen ist noch viel umfangreicher, wie später noch beschrieben wird.

Im Vergleich zur Jetztzeit war das Warenangebot des Gastgewerbes viel bescheidener. So gab es nur eine Sorte von Bier, vom sogenannten Dünnbier in schlechten Zeiten einmal abgesehen. Auch die Palette der alkoholfreien Getränke war mehr als bescheiden.

Bierlieferanten für die örtlichen Wirtshäuser waren ausschließlich das Brauhaus Nürnberg und die Brauerei Lang & Maisel aus Wendelstein.

Wenn normales Bier eine Stammwürze von etwas über 7 % aufweist, so durfte das sogenannte "Dünnbier" nur eine solche von unter 5 % haben. Ebenfalls wurde während des l. Weltkriegs der Höchstpreis für Bier behördlich festgesetzt:
bis zum 23. 12. 1916 betrug der Literpreis 20 Pfennige,
ab 24. 12. 1916 -sozusagen als Weihnachtsgeschenk - 32 Pfennige.

Neben der bereits erwähnten leiblichen Erquickung der Gäste erfüllten die Wirtshäuser seit jeher nützliche Funktionen, in dem sie für verschiedenste Zwecke, etwa für eine Versammlung, für Wahlen, für Vereinsversammlungen, Stammtische und nicht zuletzt für eine gemütliche Kartelrunde Räume zur Verfügung stellten.

Als rein private Nutzungen seien erwähnt: Hochzeits- und Geburtstagsfeiern sowie der Leichenumtrunk oder Leichschmaus, der auch Männertreff vor dem Harmer Wirtshaus heute noch größtenteils im Gasthaus abgehalten wird. Soweit entsprechende Säle zur Verfügung stehen, wurden und werden bis auf den heutigen Tag öffentliche Tanzveranstaltungen im Gasthaus abgehalten

Zweifellos können sich Gaststätten auch negativ auf ihre Besucher auswirken, indem sie die Trunksucht oder den Verfall guter Sitten fördern. Früher wurde auch noch die "Völlerei" in den Gaststätten angeprangert. Sämtliche Gaststätten in unserer Gemeinde wurden im Nebenerwerb geführt, weil sie eine Vollerwerbsstelle nicht trugen. Unsere Wirte waren früher in der Hauptsache Bauern, ehrenamtliche Bürgermeister, Schätzer, Kassiere usw.

Neben Tanzlustbarkeiten sorgten früher auch die Kegelbahnen für Kurzweil. So gab es in Leerstetten bis nach dem 2. Weltkrieg eine solche Bahn auf dem Grundstück Haiger. Hingegen waren "Rockenstuben" (Spinnstuben) in der Gemeinde nicht bekannt.

Sofern in einer Gaststätte öffentlicher Tanz abgehalten wurde, oblagen dem betreffenden Wirt zusätzliche Pflichten, wie Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, Unterbindung von "Raufexzessen", alle Schulpflichtigen von der Tanzfläche zu entfernen usw. und schließlich der kontrollierenden Gendarmerie die ausgestellte Tanzbewilligung vorzuzeigen. Mindestens nach 1945 übernahmen solche Sicherheitsmaßnahmen bei uns allerdings die Polizeibeamten.

Tanzbelustigungen in der Gemeinde Leerstetten waren früher nach einem Verzeichnis von 1893 nur an folgenden Tagen gestattet und konnten somit von der örtlichen Polizeibehörde genehmigt werden:

für den Kirchweihsonntag bis 2 Uhr,
für den Kirchweihmontag bis 23 Uhr,
für den Ostermontag bis 23 Uhr
und für einen Sonntag im Oktober ebenfalls bis 23 Uhr.

Seit etwa 1920 wurde in zunehmendem Maße von den Wirten in den Außenorten versucht, eigene Kirchweihen an einem anderen Tag als den der Pfarrkirchweih abzuhalten. Das Bezirksamt Schwabach nahm deshalb am 5. 7. 1921 dazu wie folgt Stellung:

"In letzter Zeit mehren sich die Fälle, dass weltliche Kirchweihfeiern innerhalb eines Pfarrsprengels, insbesondere durch Gastwirte in den einzelnen Ortschaften, an einem, ihrem geschäftlichen Interesse besser entsprechenden beliebigen Sonntag abgehalten werden. Dies kann unter keinen Umständen zugelassen werden. Auch kann eine Genehmigung zur Abhaltung einer öffentlichen Tanzmusik an einem solchen Tag nicht erteilt werden. Die Kirchweihsonntage, an welchen in den Pfarreien die Kirchweihfeiern abzuhalten sind, sind festgesetzt und können daher auch nicht ohne weiteres auf einen anderen Sonntag verlegt werden. Das Verzeichnis der Kirchweihsonntage ist im Amtsblatt von 1897 enthalten".

Dass sich die beiden Weltkriege sehr einschneidend und beeinträchtigend auf die Gaststättenbetriebe auswirkten, wird dem Leser alter Amtsblätter immer wieder vor Augen geführt.

Mit der Anordnung vom 7.10.1916 wurden sämtliche Bierglas- und Bierkrugdeckel aus Zinn beschlagnahmt und zur alsbaldigen Ablieferung aufgerufen. Ebenfalls wurde der Leichentrunk verboten. Speisen durften in Gaststätten ab Kriegsbeginn nicht mehr ohne die eingeführten Lebensmittelkarten verabreicht werden. Infolge der allgemeinen Finanznot wurde zwischen 1925 und 1935 eine besondere Biersteuer erhoben. Sie betrug 2 Mark je hl ausgeschenktem Bier.

Auch der 2. Weltkrieg brachte für die Gaststätten recht einschneidende Eingriffe. So wurde am 23. 9. 1939 angeordnet, dass die Abgabe von Brot, Fleisch, Fett und Nährmittel in Gaststätten nur gegen die entsprechenden Lebensmittelkarten erfolgen durfte. Die Lebensmittel-Rationierung galt auch noch für die ersten Nachkriegsjahre und musste zum Teil noch verschärft werden, wie die folgende Anordnung beweist:

"Die angespannte Versorgungslage lässt die bisherige großzügige Kartoffelzulage in Gaststätten nicht mehr zu. Es wird deshalb auch in Bayern die Markenpflicht für Kartoffeln in den Gaststätten eingeführt".

Während des letzten Krieges durften die polnischen Arbeitskräfte, die ja keine Kriegs­gefangenen waren, aus den Orten Leerstetten, Schwand und Rednitzhembach nur die Gast­stätte des Herrn Christoph Hörl in Schwand sonntags zwischen 13 und 18 Uhr aufsuchen. Deutschen war während der genannten Zeitspanne der Aufenthalt in den fraglichen Räumen nicht gestattet. Die Polen durften nur durch Männer bedient werden.

Noch Anfang 1946 war größte Zurückhaltung bei Tanzveranstaltungen angezeigt, wie der nachstehende Aufruf beweist:

"Infolge des verlorenen Krieges herrscht ein noch nie dagewesenes Maß an Not und Sorge im deutschen Volk. Deshalb nimmt ein erheblicher Teil der Bevölkerung Anstoß an Tanzlustbarkeiten. Daher sind Tanzlustbarkeiten möglichst umfassend einzuschränken. Dies gilt jedoch nicht für die seit alters her bekannten Veranstaltungen, wie Kirchweih- und Faschingsveranstaltungen".

Das damalige Jugendschutzgesetz brachte den Gendarmerieposten reichlich Arbeit. Der Aufenthalt in Räumen, in denen öffentliche Tanzlustbarkeiten stattfanden und die Teilnahme an öffentlichen Tanzlustbarkeiten im Freien war nämlich Jugendlichen unter 18 Jahren nur in Begleitung eines Erziehungsberechtigten oder einer von diesem beauftragte volljährige Person gestattet. Das hatte zur Folge, dass sich die Tanzflächen schlagartig leerten, sobald die Polizei an der Saaleingangstür auftauchte und nach dem Verschwinden der Ordnungshüter sich der Raum - vor allem mit weiblichen Jugendlichen - wieder füllte.

Alter Felsenkeller Alle Lebensmittel, zu denen auch das Bier zählen darf, sind nur begrenzt haltbar. Je höher die Außentemperaturen in der Umgebung der Nahrungsmittel sind, desto schneller verderben sie. Deshalb mühten sich die Menschen seit jeher um eine möglichst wirkungsvolle Kühlmethode.

Gastwirte mussten zunächst selbst für die Kühlung ihrer Getränke sorgen. Sie brachen das Eis auf den Weihern während der kalten Jahreszeit und schafften es zu den dazu errichteten Felsenkellern. Wo solche natürlichen Lager nicht vorhanden waren, dienten oberirdische, dickwandige Gebäude zur Eislagerung.

 

In Leerstetten besaßen die Gastwirte auf den Häusern Nr. 12 und 21 einen solchen Ehemaliges Kühlhaus Felsen­keller am Eichenbühl, während für die Gaststätte auf Haus Nr. 2 ein Lagerraum aus Back­steinen errichtet wurde. Beide Lagerstätten sind heute noch, wenn auch zu einer anderen Nutzung umfunktioniert, vorhanden. Das eingelagerte Eis in den Kellern bei wenigen Plusgraden musste über die ganze wärmere Jahreszeit zur Kühlung der Getränke zur Ver­fügung stehen.

Bauern bei der Eis-Ernte Das Bergen des natürlichen Kühlmittels brachte bis Mitte des vergangenen Jahrhunderts etlichen Bauern auch aus Leerstetten einen willkommenen Nebenerwerb während der Wintermonate. Bei milden Wintern war die Eisgewinnung natürlich ein Problem.

Im weiteren Verlauf der Jahrzehnte übernahmen die Brauereien die Belieferung der Wirtshäuser mit Kühleis. Mit einer Bierlieferung wurde gleichzeitig das notwendige Kühlmittel geliefert, das in den Sommermonaten oft nicht bis zur nächsten Getränkeanlieferung vorhielt. Zudem fehlten dem damals gebrauten Bier die heutigen chemischen Zusätze, die das Bier wesentlich länger haltbar machen.

Heute übernehmen moderne Kühlschränke eine konstante Abkühlung der Getränke in jeder Gaststätte.

 

Schwanstetten im Juni 2010
Alfred J. Köhl